„Also, mein Wochenende besteht in erster Linie darin, mich von dem Kindergeschrei zu erholen, das ich die ganze Woche hatte. Diese Erholung besteht
darin, dass ich die letzten Male mit dem sehr klapprigen Bus oder dem Militärfahrzeug und den Mädchen aus dem Institut am Samstagmorgen nach Windhoek
zum Einkaufen fuhr. Dass die Erholungsphase dadurch unterbrochen wird, ein 2,5 Tonnen schweres Fahrzeug durch halb Windhoek zu schieben, weil der
trottelige Fahrer vergessen hat zu tanken, muss man dabei in Kauf nehmen. Auch das Gepfeife der Männer, wenn zwanzig Mädchen ein bombastisches Fahrzeug
schieben.
Am Nachmittag ruhe ich mich aus: ich lese oder quatsche, das geht bis in den Abend hinein, also nichts mit Party oder so. Am Sonntag Morgen geht es
dann im wahrsten Sinne des Wortes "an die Wäsche", denn das dauert. Ich habe hier nämlich nur die Waschmaschine namens Hand und ihr glaubt ja gar
nicht, wie anstrengend es ist, die staubige Wäsche mit der Hand zu waschen. Dafür gibt es den weltbesten Trockner: sautrockene Luft. (Abends kann
ich die Wäsche schon wieder von der Leine nehmen.) Sonntag Nachmittags werden Mails und Postkarten geschrieben oder ich gehe den alten einsamen
Mathelehrer und seinen Hund besuchen, der mir dann wirklich interessante Geschichten aus seinem Leben erzählt.
So sahen meine bisherigen Wochenenden zumindest aus, spannender wird es erst, wenn ich mit meinem gestern gekauften Auto durch die Gegend düsen
kann. Allerdings war der erste Fahrversuch alleine ein Horrortrip. Eine genauere Erklärung gefällig? Ich bin gestern Morgen mit der normalen
Einkaufstour in die Stadt gefahren und wurde dann von einem Freund meines Bruders, der mir versprochen hatte beim Autokauf zu helfen, abgeholt. Bei
ihm wartete schon mein Auto auf mich. (Ein Glücksfall: Einer seiner Bekannten wollte gerade ein Auto verkaufen!) Als er dann hörte, dass ich noch
nie im Land gefahren war, war er bereit mit mir eine kleine Spritztour zu machen. Alles klappte super, also machte ich mich um 16 Uhr mit einer
ausführlichen Wegbeschreibung auf den Heimweg. Hier fingen die Probleme an, denn bei meiner ersten Fahrt brauchte ich mich nur darauf zu
konzentrieren links zu fahren. Jetzt aber musste ich mich auch noch in einer fremden Stadt in einem fremden Land zurecht finden. So war es keine
Schwierigkeit, mich zu verfahren. Ich startete im Stadtviertel Olymp im Süden und fand mich nachher bei der Powerstation weit im Norden wieder.
Somit konnte ich um 17 Uhr einen tollen Sonnenuntergang erleben, schön nicht? Pustekuchen, mein Heimweg führte Richtung Westen, was natürlich hieß,
die Sonne immer in den Augen zu haben. Und als mir dann auch noch ein Truck entgegen kam, der eine solche Staubwolke aufwirbelte, dass ich nicht
mal mehr das Ende meiner Kühlerhaube sehen konnte, war ich total fertig mit den Nerven. Ich bin links heran gefahren und habe eine Pause eingelegt.
Angekommen bin ich erst, als es schon dunkel war und eigentlich hatte ich mir geschworen nie im Dunkeln zu fahren. Aber keine Angst, die nächsten
Male fahre ich garantiert nicht mehr alleine!“
So begann mein unvergessliches Jahr als Deutsch unterrichtende und Kinder betreuende Praktikantin in Baumgartsbrunn, Namibia. Ein Jahr
später, am Morgen des 10. August 2006 um 2.45 Uhr erreichte mich in Münster die SMS einer Schülerin. Sie schrieb von ihrer Praktikumsstelle
irgendwo in Namibia: „Von der Lodge (ebenfalls zum Institut gehörend) habe ich erfahren, dass „our Father“ Mr. Bleks gestorben sei. Weißt
du etwas darüber?“ Der Gründer und Stifter der Farmschule und des Instituts Baumgartsbrunn in Namibia, Helmut Bleks, war in der Nacht in
Windhoek im Alter von 85 Jahren gestorben.